„Bergen-Belsen darf nicht noch mal geschehen!“      Fotos

Schüler der Anne-Frank-Gesamtschule Havixbeck und interessierte Havixbecker Bürgerinnen und Bürger besuchten die Gedenkstätte Bergen-Belsen

„In diesem Massengrab liegen etwas so viele Menschen, wie Havixbeck Einwohner hat!“ Kalt war es und auch der Wind sorgte für ein fröstelndes Gefühl, als die Klasse 10.2 der Anne-Frank-Gesamtschule Havixbeck am vergangenen Freitag die Gedenkstätte Bergen-Belsen besuchte. Mitglieder des Friedenskreises an der Anne-Frank-Gesamtschule und weitere interessierte Havixbecker nahmen die Mitfahr-Gelegenheit, die die Schule anbot, wahr. Sehr anschaulich vermochte Heinrich Gade, der die Besucher betreute, über die Geschichte des ehemaligen Konzentrationslagers zu berichten. Der Hintergrund: In unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager – wenn auch erst nach dem Krieg geboren – steht Gades Elternhaus. Die Geschichte des Konzentrationslagers war und ist auch die Geschichte der Menschen, die dort in der Heide lebten und leben. Und gleich an der Eisenbahnrampe wurde dies deutlich. Anschaulich erzählte der Betreuer, wie ab Juli 1941 – nach dem Überfall der Hitlerarmeen auf die Sowjetunion – Tag für Tag Güterzüge in die Heide rollen und bei der Eisenbahnrampe hielten. Zwei Rampen nahmen die Züge auf: Die linke Rampe gehörte der Wehrmacht. Über 20.000 sowjetische Kriegsgefangene trafen ein. Unter freiem Himmel wurden sie zusammengepfercht. Es war kalt und nieselig - wie am vergangenen Freitag. In ihrer Not gruben sich die Kriegsgefangenen mit bloßen Händen Gruben in die Erde, um vor der Witterung ein wenig Schutz zu finden. Oft vergeblich. Manchmal stürzten diese Gruben ein. In den Todes-Protokollen war dann zu lesen: „Erstickt durch Erdreich“. Aufgrund der katastrophalen Verhältnisse starben bis zum Frühjahr 1942 14.000 sowjetische Kriegsgefangene an Hunger, Kälte und Krankheiten. Der riesige Friedhof für diese Gefangenen war die zweite Station der Besucher aus Havixbeck.

Im April 1943 wurde  ein Teil  des Kriegsgefangenenlagers an die SS übergeben. Diese errichtete das „Aufenthaltslager Bergen-Belsen" für Juden, die gegen im Ausland internierte Deutsche ausgetauscht werden sollten. Von da an kamen an der Reichsbahnrampe Güterzüge an, die Juden aus anderen Konzentrationslagern brachten. Die SS übernahm dann auch das Kommando an der Rampe. Die Bewohner der Gegen, oft neugierig, was denn da alles passierte,  wurden vorher weggeschickt. Viele Juden überlebten allein den Transport schon nicht. Heinrich Gade führte die Havixbecker auf das Gelände des damaligen KZs. Zwar hatten die Engländer, 1945 nach der Befreiung alle Baracken in Bergen-Belsen durch Feuer zerstört, weil die Ausbreitung von Seuchen befürchtet wurden, aber viele Hinweise sind heute noch zu sehen. So zeigte der Betreuer die Reste von Grundmauern. Deutlich wurde, wie klein die Baracken zum Teil waren. Niemand konnte so recht erfassen, was der Betreuer zu erzählen hatte: „Über 1400 Häftlinge waren hier eingepfercht. Die hygienischen Bedingungen waren entsetzlich. Auch die sozialen. Jeder suchte  sein Überleben zu sichern. Allein – das zeigen die Todesstatistiken – Mütter sorgten für andere, für ihre Kinder.“ Wenn das Bergen-Belsen-KZ auch nicht als Vernichtungslager angelegt war, zum Kriegsende war es dies de facto. Besonders grausam hätte sich der letzte Lagerleiter, Josef Kramer, hervorgetan. Systematisch wären die Gefangenen in Krankheit und Tod getrieben worden. Eine besondere Rolle hätte hier die Entlausungsstation gespielt. Überreste konnten Schüler und Erwachsene noch sehen. Alle Neuankömmlinge hätten hier sich ihrer Kleider entledigen müssen. Gade: „Dann wurde heiße Luft in die Räume geleitet. Die Menschen mussten direkt danach ihre ebenfalls durch heiße Luft entlauste Kleidung wieder anziehen. Nass und mit klammer Kleidung wurden sie dann nach draußen getrieben. Lungenentzündungen und andere Infektionen rafften Tausende dahin.“ Am Ende waren es 50.000, die in Bergen-Belsen starben. Die Massengräber, von denen dann die Havixbecker standen, legen noch heute davon ein Zeugnis ab. Nur vereinzelt stehen kleine Gedenksteine, zum Teil von Angehörigen nach dem Krieg dort errichtet, auf dem großen stillen Gelände. Dort fanden die Havixbecker Besucher auch einen kleinen Stein, der an Margot und Anne Frank erinnert. Beide waren, nachdem ihr Versteck in Amsterdam verraten wurde, zunächst nach Auschwitz deportiert worden. Im Herbst 1944 wurden sie nach Bergen-Belsen transportiert, wo sie im Frühjahr 1945 an Typhus und Entkräftung starben. Wenn die Schüler der Klasse 10.2 nun an die Namenspatronin ihrer Schule denken, haben sie auch ein konkretes Bild von dem Ort vor Augen, an dem Anne Frank starb. „Und was ist heute zu tun?“ schrieben die Klassenlehrer Gabriele Schneider und Robert Hülsbusch in Anlehnung an ein Adorno-Zitat in das Besucherbuch der Gedenkstätte: „Alles – dass Bergen-Belsen nicht noch einmal sei!“

An einem  Modell erklärte der Mitarbeiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen Klaus Gade den Besuchern aus Havixbeck den großen Komplex des ehemaligen Konzentrationslagers. Er umfasste 80 Hektar.

 Ein kleiner Gedenkstein erinnert daran, dass Margot und Anne Frank in dem KZ Bergen-Belsen starben. Die Havixbecker verweilten dort einige Minuten.